»Es ist erst Schluss, wenn ich auf die Matte getragen werden muss.«

Ein Leben mit Hapkido – seit 50 Jahren auf den Trainingsmatten aktiv: Interview mit Großmeister Dr. Michael Schütz

Herr Dr. Schütz, 50 Jahre aktiv Hapkido: Welche drei Substantive fallen Ihnen spontan zu Ihrem Mattenjubiläum ein?
Lebensweg, Beweglichkeit, Freude.

Wem sind Sie aus Ihrer Zeit als Hapkidoin, also als Sportler, der Hapkido trainiert, besonders dankbar?
Meinen koreanischen Großmeistern:  Il Hak Song, Kim Sou Bong, Choi Sang Sou und Meister Reinhold Miehm (1. Vorsitzender und Trainer des 1. Hessischen Hapkido-Clubs Offenbach).

Meiner Familie und allen Menschen, die mich über all die Jahre als Lehrer, Berater, Trainingspartner und Freunde auf meinem Weg begleitet haben und mir zur Seite standen.

Ganz besonders hervorzuheben sind jedoch an dieser Stelle die 25 Schwarzgürtel, die von mir in Bensheim im Laufe der Zeit ausgebildet wurden, die Übungsleiter, die Abteilungsvorstände, meine Trainingspartner und Freunde aus der TSV Rot-Weiß Auerbach, die auf und neben der Matte immer ihr Bestes gegeben haben. Mit unermüdlichem Einsatz für die Abteilung, Gemeinschaftssinn und Freude am Hapkido-Sport haben sie mich bis heute stets  unterstützt.  Ohne diese Menschen gäbe es die Hapkido-Abteilung in Bensheim-Auerbach in dieser Form heute sicherlich nicht.

Auch meine langjährigen Freunde und Hapkido-Weggefährten Großmeister Roland Keller und Großmeister Georg Krafczyk waren immer für unsere Abteilung und für mich da.

Weiterhin möchte ich den ehemaligen Gronauer Ortsvorstehern und Vorstandsmitgliedern der SG Gronau Ludwig Kindinger und Peter Jenal danken, die mir bei der Gründung der Hapkido-Abteilung in Gronau sehr geholfen haben.

Last but not least gilt mein Dank natürlich der TSV Rot-Weiß Auerbach, welche unserer Hapkido-Abteilung seit nahezu 40 Jahren hervorragende Trainingsbedingungen bietet. Hier sind besonders zu erwähnen Horst Knop, Reinhard Bauß, Bernd Lützkendorf und unser unvergessener Günther Kuch, die uns immer unterstützt haben und uns ermöglichten, uns als Abteilung zu etablieren.

Großen Dank an alle!

Wer hat Sie besonders geprägt?
Im Bereich Hapkido meine koreanischen Lehrer Großmeister Il Hak Song, Kim Sou Bong und Choi Sang Sou sowie Reinhold Miehm.

Was macht Hapkido für Sie aus? Oder anders gefragt: Ist ein Leben ohne Hapkido für Sie vorstellbar?
Hapkido ist nach 50 Jahren fester und prägender Bestanteil meines Lebens geworden. Ein Leben ohne Hapkido ist für mich derzeit nur schwer vorstellbar.

Erinnern Sie sich noch an die Anfänge? Was hat Sie zu Hapkido geführt? Nehmen Sie uns bitte mit auf eine – gerne auch – ausführliche Zeitreise …
Im Sommer 1975 musste ich nach meinem Abitur meine damaligen Fußballambitionen wegen anhaltender Kniebeschwerden auf Eis legen. Ich begann mit meinem Zivildienst und einer Ausbildung zum OP-Pflegehelfer an der Orthopädischen Uniklinik in Frankfurt/ Main. In dieser Zeit und auch während meines anschließenden Medizinstudiums in Frankfurt wohnte ich in Offenbach.  So suchte ich 1975 in Offenbach nach einer wenig verletzungsträchtigen und gelenkschonenden Sportart. Auf meiner Suche bin ich dann beim 1. Offenbacher Judoclub hängengeblieben. Schon nach kurzer Zeit wechselte ich dann am 1.9.1975 zum 1. Hessischen Hapkido-Club Offenbach unter der Leitung von Großmeister Il Hak Song ,  Großmeister Kim Sou Bong und Meister Reinhold Miehm.

Nach meiner Prüfung zum 1. Dan unter dem Vorsitz der  Großmeister Il Hak Song und Kim Sou Bong, folgte ich meinen damaligen Sportfreunden Meister Michael Biffar und seinem Bruder Hans Peter Biffar und wechselte 1982  in die neu gegründete Hapkido-Abteilung der TGS Jügesheim (Rodgau).  Im Dezember 1984 begann ich meine Facharztausbildung im Heilig Geist Hospital Bensheim. Am 1.1.1985 zogen meine Frau und ich nach Bensheim-Gronau und traten hier in den örtlichen Sportverein, die SG Gronau, ein.  Schon im Mai 1985 bot sich mir die Möglichkeit, bei der SG Gronau eine eigenständige Hapkido-Abteilung zu gründen.

Prüfungen und Lehrgänge wurden in dieser Zeit zusammen mit den Meistern Michael und Hans Peter Biffar unter der Leitung von Großmeister Il Hak Song abgehalten. Da die räumlichen Trainingsmöglichkeiten in Gronau jedoch für unsere wachsende Abteilung begrenzt waren, wechselte unsere gesamte Hapkido-Abteilung 1988 von der SG Gronau zur TSV Rot-Weiß Auerbach. Nach der Vorstellung unseres Sports im Rahmen der Jahreshauptversammlung der TSV Rot-Weiß Auerbach wurde Hapkido als eine eigenständige Abteilung in den Gesamtverein freundlich aufgenommen. Hier wurden uns von Anfang an optimale Trainingsbedingungen geboten und die Hapkido-Abteilung ist sehr froh darüber, auch heute noch ein fester Bestandteil der TSV Rot-Weiß Auerbach zu sein. Während sich unsere Abteilung innerhalb der Gesamtvereines weiterhin etablierte, legte ich 1989 unter dem Vorsitz von Großmeister Il Hak Song meine Prüfung zum 2. Dan ab. 1995 folgte die Prüfung zum 3. Dan und (nach 25 Jahren aktivem Hapkido) im Jahr 2000 der 4. Dan. Danach zog sich Großmeister Il Hak Song leider aus dem Hapkido-Sport zurück.  Roland Keller, Georg Krafczyk und ich knüpften in den Folgejahren erste Kontakte nach Korea. So flogen wir nach Seoul, um uns bei Großmeister Choi Sang Soo als Schüler vorzustellen. Nach ersten Trainingseinheiten in Seoul bot uns Großmeister Choi Sang Sou an, uns als seine Schüler anzunehmen.

In den darauffolgenden Jahren flog ich viele Male  nach Korea, um in der Schule von Großmeister Choi Sang Sou zu trainieren. Manchmal wurde ich hierbei von Roland, aber auch von Trainingspartnern unserer Hapkido-Abteilung begleitet. Von Großmeister Choi Sang Sou wurde ich in den folgenden Jahren bis zum 7. Dan graduiert. Im Jahre 2014 flog eine Delegation von acht Hapkido-Sportlern der TSV zum Trainingslager nach Seoul, um dort eine unvergessliche, erlebnisreiche Zeit miteinander zu verbringen. Im September 2022 folgte Großmeister Choi Sang Sou unserer Einladung und besuchte uns in Bensheim. Leider war zu diesem Zeitpunkt Corona noch allgegenwärtig und einige Hapkidoin erkrankten und mussten zeitweise in Quarantäne.  Trotzdem war es eine tolle Zeit zusammen mit dem Großmeister in Bensheim und wir konnten Vieles von ihm lernen. Für die meisten Schüler unserer Hapkido-Abteilung war es das erste Mal, dass sie die Möglichkeit geboten bekamen, mit einem koreanischen Großmeister auf der Matte zu sein und zusammen mit ihm zu trainieren. Wir werden uns alle gerne noch lange an diese außergewöhnliche Zeit erinnern.

Welche Anekdoten aus 50 Jahren Hapkido können Sie uns berichten?
Mein ganzes Leben besteht aus einer Aneinanderreihung von Anekdoten. Darüber im Einzelnen zu berichten, würde den Rahmen des Interviews sprengen. Also: Keine Anekdoten!

Was bedeutet Hapkido für Sie?
Die Bedeutung von Hapkido liegt für mich eigentlich schon in der Übersetzung der Worte Hap Ki Do.

Hap – 합
Harmonie und innere Haltung

Ki – 기
Energie und innere Kraft

Do – 도
Lehre und Lebensweg

Ich sehe Hapkido als Kampfsport und als Kampfkunst, eingebettet in eine gewachsene Gemeinschaft, die sich durch Verbundenheit, gemeinsame Ziele und gegenseitige Unterstützung auszeichnet. Hapkido erfordert nicht nur körperliche Kraft, Technik, Körperbeherrschung und körperliche Beweglichkeit, sondern auch innere Kraft, Rücksichtnahme, gegenseitiges Verständnis, Intelligenz und geistige Beweglichkeit. Respekt sollte auf der Matte und auch außerhalb unserer Sportstätte eine Selbstverständlichkeit sein.

Auch 50 Jahre nach Ihrem Beginn mit Hapkido, auch im beruflichen Ruhestand trainieren Sie noch aktiv mit, geben Ihr Wissen weiter: Wann ist für Sie Schluss mit Hapkido?
Ich trainiere, solange es mir Freude bereitet. Schluss ist, wenn ich auf die Matte getragen werden muss.

Vielen Dank an Großmeister Dr. Michael Schütz für das Interview. Am kommenden Samstag, den 30. August 2025 feiern wir mit allen Mitgliedern und Freunden der Hapkido-Abteilung der TSV Rot-Weiß Auerbach sein 50-jähriges Jubiläum als aktiver Hapkidoin mit einem großen Seminar und einem Grillfest mit kühlen Getränken.

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