“Manchmal muss man die Zähne zusammenbeißen und es durchziehen, auch wenn es nicht optimal läuft.
Aber dann hat man es wenigstens versucht!”, meint Kiumars Kazerani, Kickboxer vom TSV Auerbach, als er
an einem Samstag kurz vor Weihnachten zur zentralen Schwarzgurtprüfung ins nordhessische Schwalmstadt
aufbricht. Mehrere Monate hat sich der Architekturstudent intensiv darauf vorbereitet, doch ausgerechnet
in der letzten Trainingswoche passiert es: Beim Aufwärmen knickt er mit dem linken Fuß um und verletzt
sich das Sprunggelenk. Doch “Kiu” gibt nicht auf, kühlt den Fuß Tag und Nacht, besorgt sich eine
Sprunggelenkorthese aus dem Sanitätshaus und fährt nach Schwalmstadt.
Mit fünf weiteren Schwarzgurtanwärtern, die aus ganz Hessen angereist sind, will er vor einem dreiköpfigen
Prüferteam sein Können unter Beweis stellen. Wie bei jeder Prüfung des WAKO-Kickboxverbands gibt es
eine Einteilung in verschiedene Blöcke: Faust und Fußtechniken auf die Pratze, Angriffs-, Abwehr- und
Kontertechniken mit Partner, freies Kämpfen (“Sparring”), Fallschule, Selbstverteidigung und Theorie (z.B.
Wettkampfregeln). Die Besonderheit beim Meistergrad: Das gesamte Programm der fünf Schülergrade –
vom Gelb- bis zum Braungurt – muss ebenfalls gezeigt werden. Da Schwarzgurte auch häufig als Trainer aktiv
sind, kommt noch eine kleine Lehrprobe dazu. Das Thema wird erst in der Prüfung mitgeteilt: Wie führe ich
in einer Anfängergruppe den Roundhouse-Kick ein? Was empfehle ich einem Wettkämpfer, wenn der
Gegner Druck macht und ihn ständig mit Frontkicks attackiert?
Kiu ist nervös und konzentriert sich darauf, nicht wieder umzuknicken. Außerdem sind sein Prüfungspartner
und er die einzigen, die noch nie zuvor zusammen trainiert haben. “Beim Schwarzgurt muss jede Technik
auf Anhieb sitzen”, sagt er, “und da ist es hilfreich, wenn man weiß, wie sich der Gegner auf der Matte
bewegt und wie er seine Deckung hält”. Doch alles klappt, auch wenn die Kicks mit dem linken Fuß auf die
Pratze ziemlich wehtun. Bei den Sprungtritten muss er improvisieren und kann nicht mit seiner
“Schokoladenseite” kicken, um nicht auf dem verletzten Fuß zu landen. Das Sparring nach den drei ersten
Prüfungstunden ist sehr anstrengend, fällt ihm als ehemaligem Deutschen Meister im Leichtkontakt aber
vergleichsweise leicht. Danach hat er hat Glück: Bei ihm entfallen Theorie und Lehrprobe, da er bereits eine
Trainer- und Kampfrichterlizenz hat. So kann er sich ein wenig ausruhen, bevor es mit der
Selbstverteidigung in die finale Runde geht. Kiu steht in der Mitte, um ihn herum ein Kreis aus fünf Gegnern.
Ohne Pausen wird er nun von vorne, von der Seite und von hinten attackiert – manchmal sind seine Gegner
auch mit Stock oder Messer bewaffnet. Zum Schluss muss er sich auf dem Rücken liegend gegen einen
Stockangriff verteidigen und dann aus einem Würgegriff befreien. Doch endlich ist es geschafft und er hält
erschöpft und glücklich seine Prüfungsurkunde in den Händen.
Den schwarzen Gürtel mit eingesticktem Namen überrreicht ihm eine Woche später sein Trainer, Jens Peter,
auf dem Bensheimer Weihnachtsmarkt. Viele Kickboxer aus dem TSV sind gekommen, um mit Kiu
gemeinsam zu feiern. Und Grund zum Feiern gibt es genug: Auch einige Trainingskollegen haben zwei
Wochen zuvor ihre Prüfung zum Gelb-, Orange-, Grün- oder Blaugurt bestanden. Darunter zum ersten Mal
auch zwölf Kinder. “Ich freue mich, dass die neue Jugendgruppe, die wir Anfang des Jahres ins Leben
gerufen haben, so viel Zulauf hat und dass wir schon im ersten Jahr ein gutes Niveau etablieren konnten”,
meint Jens Peter zufrieden.